Interview mit Eberhard Lippmann

Eberhard Lippmann, eine Legende der BSG Stahl Riesa, spielte in den 70er Jahren insgesamt 190mal für die BSG in der Oberliga und DDR-Liga.
Kurz nach seinem 70. Geburtstag stand er nun Rede und Antwort bei Dietrich Hoffmann, Aufsichtsratsvorsitzender der BSG Stahl Riesa.

Stahl-Riesa.de: Hallo Herr Lippmann. Toll, dass der Kontakt zustande gekommen ist. Wie kam es dazu?

EL: Hallo liebe Riesaer. Anlässlich meines 70sten Geburtstages im letzten Jahr, haben meine Söhne Ronny und Daniel den Kontakt zu Stahl Riesa gesucht und wollten mir mit einem kleinen Geschenk eine Freude bereiten. Der Verein hat mir dann eine DVD mit Zusammenschnitten von früheren Oberligaspielen zukommen lassen. Eine schöne Überaschung!

Stahl-Riesa.de: Sie spielten für die BSG Stahl Riesa in der Oberliga und DDR-Liga. Wie kam es am Anfang Ihrer Fußballerkarriere zu dem Wechsel aus der DDR Liga, von der SG Dynamo Dresden 2.Mannschaft, elbaufwärts in die Stahlwerkerstadt?

EL: Im meinem dritten Jahr bei Dynamo Dresden war ich im Anschlusskader der 1. Mannschaft und wir spielten im Frühjahr 1973 eine Übergangsrunde mit den Spitzenmannschaften der Oberliga, bei der ich wohl eine ganz gute Rolle gespielt habe. Stahl Riesa kam auf mich zu, da sie einen Ersatz für Wolfgang Bengs suchten, der seine Karriere beendete. Im Gegenzug ging Peter Kotte zu Dynamo. Ich bekam in Riesa die Möglichkeit mit 20 Jahren Oberliga zu spielen und fühlte mich auf Anhieb auch sehr wohl dort!

Stahl-Riesa.de: Wie viele Spiele bestritten Sie insgesamt für die Stahlwerkself und wieviel Tore erzielten Sie? Sie waren in Dresden ja Stürmer und schulten dann als Abwehrspieler um. Wie kam es dazu?

EL: In der 1. und 2. Liga bestritt ich um die 190 Spiele für Stahl Riesa, in denen ich um die 45 Tore schoss. Die Umstellung von Stürmer auf Linksverteidiger habe ich Walter Fritzsch bei Dynamo zu verdanken. Wir hatten dort ein Überangebot an Stürmern und er kam auf die Idee mich in die Abwehr zu stecken. Aufgrund meiner Zweikampfstärke und Schnelligkeit hat das ganz gut gepasst und hat mir sogar Spaß gemacht.

Stahl-Riesa.de: Sie spielten über 10 Jahre in der BSG, bevor Sie zu Chemie Böhlen wechselten. An welche schönen und kuriosen Sachen erinnern Sie sich noch aus ihren Riesaer-Tagen? Es gibt ja heute nach einen seltenen Fangesang Ihnen zu Ehren: "Eberhard, Eberhard, schieß uns noch ein Kopfballtor- in die linke Ecke!"

EL: Die Zeit in Riesa war wunderschön und ich möchte diese auch nicht missen. Die Mannschaft und das Trainerteam um Günter Guttmann und Dieter Spalteholz passten toll zusammen. Wir feierten einige Erfolge zusammen, hielten mit unseren wenigen Mitteln als BSG Mannschaft des Öfteren die Klasse, feierten 77/78 eine überragende Aufstiegsrunde mit 15:1 Punkten, setzten in der Oberliga einige Achtungserfolge, z.B mit Heimsiegen gegen Lok Leipzig.... Nach unserem 4:3  Sieg 1979 im Achtelfinale des Pokal gegen den 1. FC Magdeburg, kamen abends hunderte Fans zu meiner Wohnung und sangen vor dem Balkon das oben genannte Lied. Das war überragend. Mannschaftsintern gab es auch ganz viele unvergessene Erlebnisse, die aber lieber nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten.
1982 änderte sich dann aber personell einiges im Verein und da auch mein zweiter Sohn Daniel geboren wurde, entschlossen wir uns, unser Umfeld zu verändern und auch sportlich eine neue Herausforderung anzunehmen. Somit kam es zum Wechsel zu Chemie Böhlen.

Stahl-Riesa.de: Sie wechselten dann 1982 zu Chemie Böhlen, welche gerade Oberligaaufsteiger waren. Böhlen stieg wieder ab und Sie spielten noch ein Jahr in der DDR-Liga, bei dem Sie maßgeblicher Leistungsträger waren. Wie reflektieren Sie ihre lange Spielerkarriere in Riesa und Böhlen im Nachhinein?

EL: Ich habe so viele Jahre Erste und Zweite Liga spielen dürfen und bin sehr dankbar für diese Zeit als Profi. Das waren wunderbare Jahre! Dafür habe ich aber auch immer hart trainiert. Ich habe auch nach der Oberliga Zeit noch lange spielen können, war noch 5 Jahre in Weißenfels und nach der Wende wieder in Böhlen. Mein letztes Punktspiel habe ich, glaub ich, mit 50 gemacht. Rückblickend bin ich auch sehr froh, als Profi immer für eine BSG Mannschaft gespielt zu haben. Mir gefiel die Rolle als Underdog, die Großen zu ärgern. Ich hatte auch Angebote von ambitionierteren Vereinen, aber für mich mussten auch das Umfeld und die Leute stimmen. Das Leben neben dem Platz war mir auch immer sehr wichtig.

Stahl-Riesa.de: Haben Sie noch Kontakt nach Riesa zu ehemaligen Mannschaftskameraden?

EL: Mit Klaus Härtel war ich oft im Urlaub und wir pflegen eine lange Freundschaft. Alle 5 Jahre treffen wir uns auch mit den ehemaligen Mannschaftskameraden zum fröhlichen Beisammensein und lachen über die alten Zeiten die nun schon über 40 Jahre her sind. 

Stahl-Riesa.de: Wissen Sie um den desolaten Zustand des Stadions der Stahlwerker "Ernst Grube"?

EL: Ich war erschrocken als ich letztes Jahr das Ernst Grube Stadion gesehen habe! Eine Wildnis auf der man nicht mal mehr mit dem Auto parken kann! Wenn ich an die Stimmung früher dort denke... und jetzt ist das eine Ruine. Ähnlich ist es auch in Böhlen und in vielen anderen kleineren Vereinen! Es blutet einem das Herz, wenn man überlegt, das immer mehr Millionen und Milliarden in den Profifußball fließen und die Basis des Fußballs immer mehr Probleme bekommt, überhaupt eine Mannschaft zusammen zu bekommen. Traurig...

Stahl-Riesa.de: Ihre Familie scheint ja sehr Fußball verrückt zu sein. inwieweit?

EL: Das stimmt! Angefangen bei meinem Bruder Frank, der lange für Dynamo spielte und durch seine Flucht beim Europapokalspiel gegen Uerdingen für Furore gesorgt hat. Mein Sohn Ronny war im Nachwuchs beim Dresdner SC und hat viele Jahre Landes- und Bezirksliga gespielt. Mein jüngerer Sohn Daniel stand viele Jahre bei Sachsen Leipzig bzw. Chemie Leipzig im Tor. Sogar meine Schwiegertochter spielte Fußball und meine 3 Jährige Enkeltochter hat auch schon ein Fussballtrikot. Ich bin sehr froh darüber, denn es gibt wesentlich schlechtere Sachen als Fußball!
Wir machen auch noch viele Fussballausflüge mit der Familie. Unter anderem waren wir im Stadion bei Arsenal gegen Schalke vor 10 Jahren, bei Chelsea, in Neapel, bei Paris Saint German und als absolutes Highlight letztes Jahr im Camp Nou beim legendären 2:3 für Frankfurt gegen Barca.

Stahl-Riesa.de: Vielen Dank für das tolle Gespräch und Ihre Zeit. Wir würden uns sehr freuen, Sie in unserer Feralpi-Arena demnächst begrüßen zu dürfen.

EL: Vielen Dank auch an Stahl Riesa, ich freue mich, bald mal wieder ein Heimspiel zu besuchen und wünsche dem Verein von Herzen alles Gute!

(das Gespräch führte der Aufsichtsratsvorsitzende Dietrich Hoffmann)